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“Ihr da oben belügt uns doch alle”. So lautete der Titel einer Ausgabe des “Spiegels” aus dem Jahr 2016. Dieser war am 16. März auch das Motto einer Diskussionsrunde, zu der das Gymnasium Rosenberg in Oberndorf Vertreter sechs verschiedener Parteien eingeladen hatte. Gymnasiasten sollten auf diese Weise Positionierungsangebote bekommen, so ihr Lehrer Dr. Christ. “Streit ist erwünscht. Streit mit Niveau”, betonte er und eröffnete damit den Abend.\r
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Linke-, Grüne-, SPD-, CDU-, FDP- und AfD-Politiker stellten sich den teils kontroversen Fragen Christs und des Publikums im gut gefüllten Saal. Auf die Einstiegsfrage, woher die Verachtung für “die da oben” käme, antwortete Teufel (CDU), dass die Wähler enttäuscht wären, wenn nach einer Wahl nicht alle Programmpunkte realisiert würden. Kirschner von der SPD warnte vor Pauschalisierungen und war der festen Überzeugung, dass sich vieles nicht vorhersehen lasse. Der AfD-Abgeordnete Emil Sänze teilte diese Ansicht nicht: “Jeder politische Schritt muss vorab auf Nachhaltigkeit überprüft werden. Es muss endlich wieder vorausschauend gehandelt werden. In den letzten Jahren blieb die Politik tatenlos, als das Kapital immer wichtiger wurde, als Fahrzeughersteller bei den Abgaszahlen tricksten. Es fühlt sich so an, als würden ‘die da oben’ die Welt kompliziert machen, weil sie viele Dinge gar nicht anpacken.”\r
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Pflüger (Linke) nutzte seine Redezeit, um der AfD zu unterstellen, sie wolle Menschen ausschließen. Der Friedensforscher erwähnte allerdings auch, dass es gar nicht mehr nachvollziehbar sei, wo politische Entscheidungen getroffen werden. Das sorge für Wut. Die Grüne Rajsp meinte, man könne einfach aufstehen und sich gegen Eliten wehren. Trotzdem lobte sie die Arbeit von Lobbyisten, da sie mit ihrer Erfahrung an Politiker herantreten würden. Aden von der FDP erkannte für sich die historische Bedeutung der Frage, weshalb es für die “da oben” neuerdings so viel Verachtung gäbe: “Das Problem gibt es seit Jahrhunderten.” Er warnte vor der Nutzung sozialer Medien. Durch diese würde man sich vom Irrglauben verleiten lassen, dass die eigene Meinung die richtige sei. Rajsp (Grüne) konterte: “Nicht das Internet ist böse. Sondern die, die es nutzen.”\r
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Überhaupt sorgte die digitale Welt auch im weiteren Verlauf für Unstimmigkeiten. Kirschner (SPD) erinnerte an den Presserat, ein Korrektiv für Tageszeitungen. Eine ähnliche Einrichtung wünschte er sich für Facebook und Twitter, während Linke und AfD in diesem Punkt seltene Einigkeit zeigten. Für beide sei das Internet als Informationsquelle durchaus legitim. Sänze (AfD) lobte “die Vielfalt der Informationen im Internet und die Schnelligkeit, mit der man sie dort erhält. Wir sind alle mündige Bürger”. Für ihn sei direkte Demokratie “ein notwendiger Schritt. Doch direkte Demokratie bedeutet für Politiker, die Macht loszulassen.”\r
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Teufel (CDU) sprach sich ebenfalls für die direkte Demokratie auf Bundesebene aus, entgegen der Meinung seiner Partei. Aden von der FDP war der festen Überzeugung, die repräsentative Demokratie hätte sich bewährt.\r
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Auch beim Großprojekt Stuttgart 21 war die Schnittmenge bei AfD und Linke groß. Beide hielten es für einen Fehler, dass die Bürger nicht basisdemokratisch darüber entscheiden durften. Sänze (AfD): “Es wurden der Bevölkerung keine Alternativen präsentiert. Obwohl es durchaus andere Möglichkeiten gegeben hätte.” Als es um die explodierenden Kosten des Bahnhofsneubaus ging, scherzte Sänze, dass auch die Pyramiden zu Beginn sicher günstiger geplant waren. Doch eine Entschuldigung für fehlende Transparenz sei dies nicht.Ohne Meinungsfreiheit funktioniere keine Demokratie, doch genau diese scheint in den letzten Jahren verloren gegangen zu sein.\r
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Lehrer Dr. Christ zitierte eine Umfrage, wonach im September 2016 nur noch 57 Prozent der Bevölkerung das Gefühl hatten, das sagen zu dürfen, was sie wollen. Aden (FDP) sprach von einer übertriebenen political Correctness, Pflüger (Linke) forderte, sich bei dem, was man sagt, besser zu konzentrieren, während Rajsp (Grüne) schon ein Wort wie “Student” für frauenfeindlich hielt. AfD-Abgeordneter Sänze sah darin ein hausgemachtes Problem: “Wir sind selbst schuld. Wir haben manches Wort zum Unwort werden lassen, obwohl es nie negativ besetzt war.”\r
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Auf die Frage eines Schülers, weshalb Trump so sehr in den deutschen Medien und von deutschen Politikern vor der Wahl verunglimpft wurde, während selbst nach Erdogans Nazikeule eine Erwiderung ausblieb, gab es unterschiedlichste Meinungen. Die Grünen-Politikerin Rajsp wie auch der Linke Pflüger argumentierten, dass Trumps Wortwahl nicht korrekt sei und man sich deshalb auf sein Niveau begeben hätte. Sänze von der AfD insistierte: “Der Umgang Merkels mit Trump während seines Wahlkampfes war unprofessionell. Bei Erdogan ist allerdings eine klare Kante nötig.”\r
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Die lasse die Kanzlerin jedoch vermissen, warf ein Zuschauer ein. Das sah Teufel (CDU) anders. Sie hätte sich sehr deutlich auf die Seite der Niederlande gestellt. In der weiteren Diskussion wurde mehrfach eingeworfen, dass man sich von Erdogan erpressen lasse. Deshalb auch das Schweigen Merkels. “Die einzige Methode, wie man Erdogan in seine Schranken verweist, ist Geld”, brachte es Sänze (AfD) auf den Punkt.\r
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Rajsp (Grüne) klopfte ihrer Partei abschließend dafür auf die Schulter, bei einem Abkommen über einen fairen Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen die AfD gar nicht erst gefragt zu haben, ob diese sich beteiligen wolle. Sänze (AfD) zeigte sich bestürzt darüber, dass man sich mit dem politischen Gegner nicht mehr demokratisch auseinandersetzen wolle, “sondern von reinen Mutmaßungen ausgehe”. “In der Politik gibt es keine Freunde, nur Interessen”, mahnte Aden (FDP).
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